Wiederaufbau der Frauenkirche Dresden

Wiederaufbau der Frauenkirche Dresden von 1994 bis 2005 unter archäologischen Gesichtspunkten mit behutsamen Hinzufügungen unserer Zeit. Die Frauenkirche wurde am Ende des 2. Weltkrieges infolge des Bombenangriffs auf Dresden am 13.02.1945 beschädigt, brannte aus und stürzte am Morgen des 15.02.1945 zusammen. Der Wiederauf­bau der einzigartigen, barocken Kirche begann 1994 und endete mit der offiziellen Einweihungsfeier am 30.10.2005. Klicken Sie unten auf die einzelnen Punkte, unter denen die ingenieurtechnischen Herausforderungen und Lösungen an den von Jäger Ingenieure bearbeiteten Teilen des Baukörpers beschrieben werden.

Planungsaufgabe Wiederaufbau

In den Jahren 1726 bis 1743 entstand der berühmte Kuppelbau George Bährs, der zweihundert Jahre das Stadt­bild Dresdens prägte. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Frauenkirche infolge Brandeinwirkung zerstört. Ihre Ruine verblieb als Trümmerberg mit ca. 70x80 m Grundrissabmessung und 17 m Höhe sowie zwei 30 m hoch ragenden Bauwerksteilen im Herzen der Stadt. Vor dem Wiederaufbau erfolgte unter Leitung des Büros Prof. Jäger ab 1991 die Planung und Durchführung der archäologischen Enttrümmerung mit ziel­gerich­teter Beräumung des Trümmerberges und Zwischenlagerung wieder verwendbarer bzw. für die Neuplanung bedeutsamer Bauteile.

Ziel war es, die Frauenkirche zu Dresden unter baumeisterlichen Gesichtspunkten in Mauerwerk unter Wahrung der historischen Struktur und Bauweise sowie unter Einbeziehung der historischen Substanz wieder zu errich­ten. Die seinerzeitige Normenlage erforderte die Schaffung einer speziellen Mauerwerksrichtlinie, auf deren Basis der Wiederaufbau in Stein erst technisch möglich wurde. Die Erarbeitung dieser Richtlinie erfolgte auf Grundlage umfangreicher Materialuntersuchungen zum Bestand sowie zum Neustein und zum Mörtel.

Ein speziell ausgearbeitetes Qualitätssicherungssystem gewährleistete die Kontrolle der Umsetzung (Eigen­über­wachung/Fremdüberwachung) und das Erreichen der erforderlichen Mauerwerksfestigkeiten.

Der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche begann 1994 und endete im Oktober 2005. Durch Installation eines das gesamte Bauwerk überspannenden Wetterschutzdaches konnte der Wiederaufbau ohne Pausen auch in den Wintermonaten erfolgen.

Eine umfassende Analyse des historischen Bauwerkes sowie eine Überprüfung der nach dem Einsturz am 15.02.1945 stehengebliebenen Ruinenteile waren vorher erforderlich.

Altsubstanz und Steinbau

Aufgrund der vor der Zerstörung 1945 an der Frauenkirche auftretenden Schäden musste entsprechend der Zielstellung eine behutsame Verbesserung der Baukonstruktion hinsichtlich der Materialgüten und des Last­ab­trages erfolgen. Die Mauerwerksrichtlinie bildete die Bemessungsgrundlage für die verschiedensten Mauer­werks­konstruktionen (Wände, Pfeiler, Bögen, Gewölbe, Platten, Kuppel) aus Sächsischem Sandstein und Ziegel­mauer­werk innerhalb des Gesamtbauwerkes. Sie beinhaltete auch detaillierte Regeln für die Bauausführung. Auf Grund des hohen Eigenlastanteils erwies sich die Anwendung des Teilsicherheitskonzeptes als äußerst vorteilhaft und wirtschaftlich.

Zur Sicherstellung der Trag- und Nutzungsfähigkeit erfolgte der zielgerichtete Einbau von Ankern in Bereichen mit Zugbeanspruchung weitestgehend nach historischem Vorbild. Dabei wurde durch Materialauswahl bzw. Korrosions­schutz­maßnahmen spezielles Augenmerk auf die Dauerhaftigkeit der Konstruktion gelegt.

Die wesentlichen konstruktiven Unterschiede der neuen Frauenkirche zum Vorgängerbau bestehen in der Herstellung von Mauerwerk mit entsprechend des Lastflusses abgestimmten Festigkeiten sowie im Einbau eines horizontalen, polygonal verlaufenden Ringankers mit Rückverhängung und Vorspannung etwa in Traufhöhe, über welche die exzentrische Beanspruchung der Stützen und die stärkere Lastableitung nach außen erwirkt wurde. Das Haupttragsystem wird von den radial angeordneten Y-förmigen Stützkonstruktionen (Spierahmen) gebildet, die oben über den Gurtbogenring zusammengebunden sind, der dann in den Tambour übergeht.

Kuppel und Laterne der Frauenkirche

Die Kuppel der Frauenkirche zu Dresden wurde wieder in Stein als zweischalige Konstruktion mit einer Wetter­schutz- und Tragschale außen und einer raumabschließenden dünnen Schale nach innen ausgebildet. Beide Schalen sind mit aussteifenden Querschotten verbunden. Die Kuppel enthält keine gesonderte Dichtung und musste deshalb von der Außenseite her risssicher sein.

Die im originalen Bauwerk in der Kuppel vorhandenen Ringanker aus Vierkanteisen hatten sich als nicht ausreichend tragfähig erwiesen und zeigten bis zur Wirksamkeit zu große Dehnungen. Deshalb wurden beim Wiederaufbau die neuen Anker vorgespannt. Sie bestehen aus Feinkornbaustahl S690QL1. Zur Vorspannung wurde eine eigens dafür zusammen mit der Fa. Paul entwickelte Spanneinrichtung verwendet. Durch die Vorspannung wird eine ständige Überdrückung gewährleistet.

Der Dachstuhl der Laterne ist nach dem originalen Vorbild entworfen worden, jedoch waren ingenieurmäßige Holzverbindungen notwendig. Die vertikalen Stützen des Laternendaches bestehen aus Sandsteinmauerwerk und mussten vorgespannt werden, um die Standsicherheit zu gewährleisten.

Kuppelanlauf

Der Kuppelanlauf ist eine sphärisch gekrümmte Fläche, die mit Sandsteinplatten abgedeckt ist. Diese ruhen auf Bögen und dem Mauerwerk der radial angeordneten sogenannten Schwibbögen. Die Fläche bestand auch im Original nur aus 25 cm dicken Sandsteinplatten und hatte wegen der geringen Dicke und der kontinuierlichen Lagerung der Platten Dichtheitsprobleme. Die neue Konstruktion arbeitet deshalb mit Einzellagerungen auf Steindübeln und einer zusätzlichen Dichtungsschicht unter den Deckplatten. Der Kuppelanlauf der Frauenkirche zu Dresden war sowohl statisch und geometrisch eine äußerst komplexe Problemstellung, welche mit o.g. Ingenieurmethoden gelöst wurde.

Emporen

Die Emporen sind nach einem ausführlichen Abwägungsprozess nicht wieder in Holz errichtet worden, da sie bereits Veränderungen und Verstärkungen erfahren hatten und nur relativ geringe Bauhöhen zur Verfügung standen. Man entschied sich beim Wiederaufbau der Frauenkirche für ein Stahltragwerk, das insbesondere auf von Menschen induzierte Schwingungen hin zu untersuchen war. Die Konstruktion wurde im Entwurfsprozess so optimiert, dass eine ideale Abstimmung gegenüber der Erregerfrequenz erfolgte und Resonanzerscheinungen ausgeschlossen wurden. Auf den Einbau von Schwingungsdämpfern konnte somit verzichtet werden.

Unterirdisches Außenbauwerk als Ergänzung

Eine weitere anspruchsvolle Aufgabe war die Integration moderner Haustechnik in den neuen Mauerwerksbau mit seinen historischen Geometrien. Bereits frühzeitig zeigte sich, dass die räumlichen Anforderungen der Haus­technik ergänzt durch die gegenüber dem Vorgängerbauwerk erweiterten Nutzungs­anforderungen des Bau­herrn nur durch zusätzliche Räume erfüllt werden können. Deshalb wurde, den Grundriss der Frauenkirche dreiseitig umschließend, ein unterirdisches Stahlbetonbauwerk als Weiße Konstruktion errichtet. Dabei erfolgte die Freilegung der Gründung des Kirchenbauwerkes bis Unterkante Fundament, was spezielle Grund­bruch­unter­suchungen erforderlich machte. Zur Verbindung zwischen Neubau und Altbau wurden Durchgänge durch die ca. 3,50 m dicken Gründungskörper der Frauenkirche hergestellt, die infolge des dort veränderten Lastflusses konstruktiv durch Anker und Stahl- bzw. Spritzbetonverstärkungen ertüchtigt werden mussten.

Keller

Der Keller und die Gründung der Frauenkirche zu Dresden bestehen aus Mauerwerk, das entsprechend vergütet worden ist. Die Fundamente haben während der Sanierung in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts Erweiterungen aus Stahlbeton in Form umgekehrter Bögen erhalten. Mit Hilfe entsprechender nichtlinearer Bauwerk-Boden-Berechnungen konnte nachgewiesen werden, dass eine ausreichende Standsicherheit auch nach dem Wiederaufbau gegeben ist. Die Korbbogengewölbe im Keller sind während des Einsturzes der Frauen­kirche durch die Trümmermassen zerschlagen worden. Sie konnten als tragende Elemente mit verbessertem Mauerwerk wieder ergänzt werden. Für den Nachweis der Tragsicherheit des Flachen Vierungsgewölbes war ebenfalls eine nichtlineare Berechnung unter Ansatz von nichtzugfestem Material erforderlich. Über fortlaufende Kontrollmessungen sind die Setzungen des Bauwerkes beobachtet worden, die in der Größe der Erwartungs­werte lagen.

Bauherr: Stiftung Frauenkirche Dresden

Architekt: IPRO Dresden
Büro Böhme und Schönfeld, Dresden

Leistungen Jäger Ingenieure:
Tragwerksplanung und Bauüberwachung als Ingenieur­gemeinschaft Frauenkirche Dresden Prof. Jäger und Prof. Wenzel

Grundleistungen und besondere Leistungen gem. Leistungsphasen 1 - 8 HOAI

konkrete Leistungsanteile JI nach Bauteilen:

  • Unterirdisches Außenbauwerk aus Stahlbeton als Weiße Wanne
  • Emporen
  • Kuppel
  • Kuppelanlauf
  • Laterne

Vergleichsberechnungen und Alternativuntersuchungen

Materialuntersuchungen und Erarbeitung einer Mauer­werks­richtlinie für den Wiederaufbau auf der Basis des semiprobabilistischen Sicherheitskonzeptes (mit hochfestem Mauerwerk für die Stützen)

Versuche und Analysen zum Brandverhalten von Sandstein

Einbeziehung vorhandener historischer Bausub­stanz/Bauteile (Keller und aufgehendes Ruinen­mauerwerk)

Bestandsaufnahme und -analyse der vorhandenen Bausubstanz sowie Schadenskartierung

Fachbauleitung Tragwerk (Überwachung, Mengen­kontrolle)

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